Mehr als nur ein Risikofaktor

Die zentrale Rolle von Adipositas in der hausärztlichen Versorgung

Übergewicht und Adipositas sind weit mehr als kosmetische Probleme. Sie sind entscheidende Risikofaktoren für eine Vielzahl an Begleit- und Folgeerkrankungen, denen Sie täglich in Ihrer Praxis begegnen. Abgesehen von individuellen Risikofaktoren wie einer genetischen Disposition oder Begleiterkrankungen gilt dabei: Je höher der Schweregrad und je länger die Dauer der Adipositas, desto wahrscheinlicher treten Komplikationen auf.1

Die frühzeitige Identifikation und strukturierte Behandlung dieser Patient:innen ist daher nicht nur wünschenswert, sondern medizinisch hochrelevant. Die vertrauensvolle Beziehung in der hausärztlichen Versorgung bietet den idealen Rahmen, um nachhaltige Veränderungen zu initiieren.

Seiteninhalte

Multimorbidität als klinischer Alltag

Diabetesprävention durch Gewichtsstabilisierung​

Kardiovaskuläre und pulmonale Belastung

Onkologische Relevanz:
13 Tumorentitäten im Fokus

Bewegungsapparat und Alltagseinschränkungen​

Fazit: Aktive Ansprache lohnt sich​

Multimorbidität als klinischer Alltag

Die adipositasassoziierte Multimorbidität ist komplex und die häufig betroffenen Systeme sind breit gestreut: Herz-Kreislauf, Stoffwechsel, Gastrointestinaltrakt, Respirationstrakt, Bewegungsapparat, Urogenitalsystem, zentrales Nervensystem sowie die Psyche – die Liste ist lang. Analysen zeigen eine Vielzahl von Krankheitsclustern, also typischen Kombinationen von Folgeerkrankungen, deren Auftreten eng mit Adipositas verknüpft ist. Darüber hinaus bestehen bidirektionale Beziehungen – Adipositas kann andere Erkrankungen beeinflussen und umgekehrt.1

Diabetesprävention durch Gewichts­stabili­sierung

Besonders eng ist die Verbindung zwischen Adipositas und Typ-2-Diabetes: Ab einem BMI von 25 kg/m² steigt das Diabetesrisiko. Beobachtungen aus der EPIC-Potsdam-Studie zeigen: Eine Zunahme des BMI um eine Einheit erhöht die Diabetesinzidenz bei Erwachsenen zwischen 25 und 40 Jahren um 25 %.2

Kardiovaskuläre und pulmonale Belastung

Mit wachsendem BMI steigt das Risiko für Hypertonie, KHK, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen. Gleichzeitig sind pulmonale Komplikationen häufig: Asthma, restriktive Ventilationsstörungen und COPD treten gehäuft auf.1 In der täglichen Praxis häufig übersehen: 40–70 % der Menschen mit Adipositas leiden an einer obstruktiven Schlafapnoe3, 4, was erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität und das kardiovaskuläre Risiko hat.

Onkologische Relevanz:
13 Tumorentitäten im Fokus

Adipositas ist ein unabhängiger Risikofaktor für 13 Tumorentitäten, darunter Magen, Kolon, Leber, Gallenblase, Brust (postmenopausal) und Niere. Die DEGS1-Studie zeigt: 6,9 % aller Krebsneuerkrankungen in Österreich lassen sich auf Adipositas zurückführen.5 Auch die Prognose ist durch Adipositas negativ beeinflusst.1

Bewegungsapparat und Alltagsein­schränkungen

Rückenbeschwerden, Gonarthrose und Coxarthrose sind bei adipösen Patient:innen deutlich häufiger.1 Besonders das Risiko für eine Gonarthrose steigt mit jedem Anstieg des BMI um 5 kg/m² um rund 35 %.6 Hinzu kommen funktionelle Einschränkungen im Alltag, ein höheres OP- und Narkoserisiko sowie ein gesteigertes Unfallrisiko – insbesondere im Alter.1

Fazit: Aktive Ansprache lohnt sich

Die Adipositasmedizin gehört in die Hausarztpraxis. Als fester Bestandteil präventiver und kurativer Versorgung hat sie das Potenzial, das Risiko für eine erhöhte Krankheitslast zu senken und die Lebensqualität zu verbessern. Schenken Sie der frühzeitigen, strukturierten und individuellen Betreuung adipöser Patient:innen in Ihrem Praxisalltag die Aufmerksamkeit, die sie verdient.

Ein Gesprächsleitfaden kann die Vorbereitung auf Ihren nächsten Termin mit übergewichtigen oder adipösen Patient:innen erleichtern – werfen Sie jetzt schon einen Blick hinein.

  1. Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) e.V. S3-Leitlinie Adipositas – Prävention und Therapie, Version 5.0, Oktober 2024. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/050-001. Zugriff am: 02.07.2025.
  2. Schienkiewitz A, et al. Am J Clin Nutr. 2006 Aug;84(2):427–433.
  3. Young T, et al. Sleep. 2008 Aug;31(8):1071–8.
  4. Lopez PP, et al. Am Surg. 2008 Sep;74(9):834–8.
  5. Behrens G, et al. Dtsch Arztebl Int. 2018 Sep 3;115(35-36):578–585.
  6. Zheng H, Chen C. BMJ Open. 2015 Dec 11;5(12):e007568.